Oestlich
des malerischen Marktplatz steht die Kirche St. Petri u. Pauli. Sie
wird zuerst in einem Sühnebriefe von 1301 erwähnt, in welchen
ein Theodoricus, welcher die "ecclesia S. Petri in Wißense"
durch Blutvergießen freventlich entweiht hatte, sich verpflichtet,
derselben jährlich 3 Pfund Wachs zu geben. Im Jahre 1303 wurde
der Knabe Konrad Bächerer unter dem hohen Chore begraben. Das
hohe Chor ist gotisch, aber Mauer und Gesimsteile an der westlichen
Giebelseite, insbesondere ein Rundbogenfenster und 2 eingemauerte
Rosetten aus Sandstein lassen darauf schließen, daß das
ursprüngliche Schiff eine romanische Basilika, die 2 niedere
Abseiten hatte, gewesen sein muß. Vergebens sucht man einen
Kirchturm. Sie ist aber keineswegs turmlos erbaut worden. Am östlichen
Ende vor dem Presbyterium soll ein Doppelturm gestanden haben. Ernst
Pfister spricht in seiner uns handschriftlich hinterlassenen Chronik
aber nur von "einen" Turm, aber auch seine Rekonstruktion
von Petri und Pauli, die sich auch in seiner Chronik befindet, kennt
nur einen auf dem Dache sitzenden Turm. Daß tatsächlich
aber nur "ein" Turm vorhanden gewesen sein kann, ergibt
sich auch aus einer alten Niederschrift vom 2.2.1619, nach der "ein
ehrbar, wohlweiser Rath mit Zuschuß und Rath eines ehrwürdigen
Ministerio, sowohl auch des Herrn Amtschössers Melchior Heidenreich"
das Kirchengebäude in einen besonderen Zustand gebracht werden
sollte:
1.)
"soll um aller Gefahr willen 'der' Thurm abgebrochen und die
Glocken auf den Kirchhof gehängt werden;
2.) soll die Mittelmauer abgetragen werden;
3.) sollen die beiden Giebel, der nach dem Pfaffenhofe und der nach
der Kirchstraße abgetragen werden". (Vergl. Rep. Dep. Weißensee
Titel XV Nr. 21 S. 1/2)
Im
Jahre 1331 zerstörte eine große Feuersbrunst, das Kirchengebäude
bis auf das hohe Chor.
Nach dem Tode Herzogs Georg führte der Herzog Heinrich der Fromme
die Reformation im Jahre 1539 ein. Die 2 Kirchen St. Anna und St.
Jacob, die außerhalb lagen, aber auch die Kirche St. Nicolai,
die damals "Gottesackerkirche" war, wurden eingezogen und
ihre Einkünfte zu Petri und Pauli geschlagen, an der nunmehr
1 Superintendent, 2 Diakone, 1 Kirchner, ferner bei der Mädchenschule
endlich 1 Lehrer bestellt wurden.
Am 25. Juli 1610 schlug der Blitz in das hohe Chor, zündete jedoch
nicht. Nach der Niederschrift vom 2.2. 1619 sollte weiter die Mauer
nach der "Kirchstraße" abgetragen und anstelle der
hölzernen Pfeiler eine ganze lange Mauer bis an das Chor gemacht
werden, aber auch die Mauer nach dem Pfaffenhofe sollte bis an das
Chor gemacht werden, damit Petri und Pauli "zwo gleiche Mauern
zu beiden Seiten haben sollte". Die Steine, die man brauchte,
hat man von den "Meistern von Salza" bezogen. (Vergl. Rep.Dep.Weißensee
Titel XV Nr. 22 S. 12) Der Gottesdienst mußte im Sommer 14 Wochen
in St. Nicolai sein. Das Chor ist wahrscheinlich im 14. Jahrhundert
erbaut worden; gleichzeitig dürfte auch das Schiff als gotischer
Hallenbau neu begonnen, aber dennoch nur teilweise fertig geworden
sein. Denn bei der Kirchenvisitation im Jahre 1575 - auch Philipp
Melanchton hat die Kirchen zu Weißensee visitiert - wurde verordnet,
daß die mitternächtliche Seite erhöht werden sollte.
Dennoch dürfte erst 1619 wirklich mit den Bauarbeiten begonnen
worden sein. Größere Bauarbeiten sind weiter 1681 und 1691
vorgenommen worden. Insbesondere hatten die Gewölberisse über
dem Chor den Superintendenten Stißern veranlaßt, das Chor
neu zu bauen. Durch Vertrag vom 8.6.1691 wurde dem Meister Georg Siegert
aus Erfurt Auftrag erteilt, ein neues Kreuzgewölbe herzurichten.
(Rep.Dep.Weißensee Titel XV Nr. 54). Der ursprünglich romanische
Baustil ist infolgedessen in alle herrschenden Stile umgewandelt worden.
Uebrig geblieben ist nur das hohe Chor. Das hohe Chor ist 14 m und
besteht bis zu dem Halbachteckschlusse. Es hat eine lichte Weite von
9,3 m und 20,4 m Länge. Dieser Teil der Kirche soll zugleich
für den Gottesdienst der Brüder des Johanniter-Ordens bestimmt
gewesen sein. Deshalb dürfte der mit einem gerippten Kreuzgewölbe
überspannte Jochen so auffallend groß erbaut worden sein.
In
der Mitte des Schiffs sind die Frauenstühle. Zu beiden Seiten
sind Emporen, wo die Männer sitzen. Auf der unteren Nordempore
hatten die Johanniter später ihre Stühle. Auf Betreiben
des Superintendenten und des Amtsschössers genehmigte das Fürstliche
Sächsische Konsistorio in Magdeburg am 27.11.1673, daß
an der Stelle, wo die Johanniter saßen, der "Amtsstuhl",
der mit dem landesherrlichen Wappen versehen, errichtet wurde. (Vergl.Rep.Dep.Weißensee
Titel XV Nr. 46). Oestlich davon wurde der "Rathsstuhl"
erbaut, aber auch Patrizierfamilien errichteten sich besondere Stühle.
Rings
um die Emporen sieht man rechteckige Oelbilder, die Köpfe und
Begebenheiten aus dem alten Testament darstellen. Aehnliche Bilder
sind in Danzig auch auf der Pfeilerbespannung von St. Marien, aber
auch in St. Johann und in der Annakapelle in der Trinitatiskirche
befinden sich an der großen Orgel und an der Empore ganz vergleichbare
Darstellungen. Die Namen der Meister sind nicht bekannt.
Die
Fußgesimse der beiden Längsseiten des jetzigen Schiffes
sind verschieden; man kann deshalb annehmen, daß sie aus verschiedenen
Bauzeiten herrühren. Die Strebepfeiler, die man auf beiden Seiten
sieht, deuten auf eine beabsichtigte Einwölbung des Schiffes
hin; sie ist aber nicht zu Stande gekommen, vielmehr hat man schließlich
eine cassetierte Bretterdecke eingezogen. Im Jahre 1893 wurden die
alten Fenster herausgenommen und Bleiglasfenster, deren Malereien
seitdem Petri und Pauli schmücken, eingesetzt. Zu beiden Seiten
führen 2 Treppenaufgänge in das Schiff, der südlichere
ist davon der architektonisch wertvollere. Auf der Nordseite führt
etwas östlich zu ebener Erde noch der "Pfaffengang"
hinein, während der Haupteingang aber auf der Westseite ist.
Dem Haupteingang gegenüber steht der Altar, den ein reicher,
in Schnitzwerk ausgeführter, innerlich vergoldeter Flügelschrein
schmückt; in der unteren Reihe nimmt Maria mit ihrem Kinde Jesus
die Mitte ein, neben ihr stehen auf jeder Seite 6 Heilige, während
in der oberen Reihe zwischen je 5 Heiligen die Krönung Christi
dargestellt ist. Die Seitenklappe links enthält eine Darstellung
des heiligen Abendmahls, die rechte Seite stellt das Gebet am Oelberg
vor. Ueber diesem Schrein steht nun noch unter einem sehr fein geschnitzten
Oberstück ein anderer Schrein, in welchem die Grablegung in vielen
geschnitzten Figuren dargestellt ist; auf der linken Seitenklappe
ist Laurentius mit dem Rost und auf der rechten Seite Petrus mit dem
Schlüssel. Schnitzwerk und Gemälde sind von dem Maler und
Holzschnitzer Michel Wolgemuth, geb. 1434 in Nürnberg, gest.
30.11.1519 in Nürnberg. (Vergl. Aeltere Akten des Pfarramtes
Weißensee)
Michel Wolgemuth war der Lehrer von Albrecht Dürer, dem Begründer
der neuen deutschen Malerei, Kupferstecher, Formschneider und Bildhauer.
Im Jahre 1830 mußten die wertvollen Malereien und Schnitzereien
gereinigt werden. Die Reinigung erfolgte durch den Gemälderestaurateur
Jacob Beyer aus Beiern für 49 Taler, wozu der Kaufmann Georg
Götz und dessen Ehefrau von den 50 Talern, die sie zur Orgelreparatur
bestimmt hatten, 25 Taler hergaben.
Das
von der Familie des Superintendenten Gregor Jostelius im Jahre 1563
gestiftete Oelgemälde stellt die Auferstehung Christi in Verbindung
mit dem mittelalterlichen Typus: Jonas, dem Fische entsprungen, hat
sich auf das Land geflüchtet, dar. Anläßlich der 100jährigen
Jubelfeier der Augsburger Confession vom 25.-27. Juni 1630 und zur
Errinnerung davon, wurde das lebensgroße
Bildnis D. Martin Luthers über der Treppe zur Kanzel aufgehängt.
Hier ist noch die im Jahre 1857 zur Erinnerung an den Königl.
Dänischen Missionarius und designierten Probst Mag. Johannes
Ernst Gründler, geb. 7.4. 1677 in Weißensee, gest. 19.3.1720
zu Transibar auf der Küste Coromantel, der sich um die Verbreitung
des Christentum sehr verdient gemacht hat, angebrachte Tafel. Die
Kanzel steht an der Südwand. Sie ruht auf einer aus Holz geschnitzten
Apostelfigur und ist von einem feinen Schnitzwerk überdacht.
Vor der Kanzel ist aber auch noch ein Grabmal von 1565, das den Superintendenten
Johannes Schönburg, den Nachfolger von Gregor Jostelius, darstellt.
Zu seinen Füßen ist sein Wappen, das einen nackten Mann,
der in der rechten Hand eine Mondsichel emporhält, zeigt.
An der Westwand ist zwischen der unteren und oberen Empore die im
Jahre 1624 von dem Orgelbauer Gerützscher aus Eisleben erbaute
Orgel.
Die
Steine, die von dem Turm, der 1619 abgenommen worden ist, übrig
sein sollten zu " einem Thurm, welcher vorne ohne Dach dem Markte
zu kommen soll" genommen werden ( Vergl. Rep. Dep. Weißensee
Titel XV Nr.21 S. 1/ 2). Der daraufhin errichtete Glockenturm mußte
aber 1774 wegen Baufälligkeit schon wieder abgebrochen werden.
( Vergl. Rep. Dep. Weißensee Titel XV Nr.97 ). An der Stelle,
wo er 1619 erstmalig errichtet wurde, steht nun der 1774 errichtete
Glockenturm, in dem die Glocken hängen. Die kleinste, aber älteste,
ist die am 23. 8.1326 gegossene Glocke, die 1,02 m Durchmesser hat.
Die große Glocke von 1,54 m Durchmesser ist 1582 gegossen worden
und hat Ps.50, 5-7 als Inschrift, die mittlere (Festglocke) von 1,51
m Durchmesser ist 1614 gegossen worden und mit dem Stadtwappen sowie
den Namen der Geistlichen und des Bürgermeisters versehen. Am
30.9.1918 wurde die große Glocke abgenommen und zerschlagen;
ihr Gewicht betrug annährend 41,5 Zentner (stimmt nicht, die
mittlere wurde verschrottet, Anm d. Red.)
Allsonntäglich, aber auch an den kirchlichen Festtagen ertönt
überall hörbar ihr Geläut, mit dem sie uns in unsere
schöne Kirche St. Petri u. Pauli rufen.