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Bericht von 1303
Bericht von 1937



Ein Bericht aus dem Jahre 1893


Die Anfänge der Kirche reichen in die graue Vorzeit zurück. Niemand weiß, wann sie gebaut ward. Sie stand schon da, als noch alles ringsumher ganz anders als jetzt aussah. Damals war Weißensee eine der Residenzen der Landgrafen von Thüringen, um ihrer schönen Lage willen dazu erkoren. Mit den Thürmen des Schlosses und ihrer vier Kirchen (St. Petri & Pauli, St. Nicolai - am alten Markt, St. Jacob - auf der Neustadt, und St. Anna) spiegelte sie sich in dem klaren Gewässer des Ober- und Untersees. Auf den südlich gerichteten Abhängen am Ufer des Obersees gab es lachende Weinberge. Hin und her auf den Hügeln und im Gefilde standen Baumgruppen und kleine Wälder. Eine ganze Anzahl von Dörfern lag in der Nähe der Stadt, wohl wie ein Kranz um die beiden Seen. Auf diesen gab es zahllose Wildenten und andere Jagdbeute. Im Wasser taumelten sich Schwärme von Fischen. Da zogen die Landgrafen fröhlich auf die Jagd mit Falken auf der Faust, die ihnen die Beute fangen mußten. Die Fischerei aber nährte als Gewerbe viele Einwohner der Stadt und der Dörfer.
Die erste sichere Nachricht vom Vorhandensein der Kirche St. Petri & Pauli findet sich im Staatsarchiv zu Sondershausen. Ein gewisser Dietrich hatte hier im Jahr 1301 Menschenblut vergossen und sollte dafür, außer anderer Strafe, jährlich drei Zentner Wachs an die Kirche liefern. Mit noch unheimlicheren Dingen hängt die zweite Erwähnung unserer Kirche zusammen. Im Jahre 1303 brach eine grausame Verfolgung der Juden in ganz Thüringen aus. Die Ermordung des 16jährigen Konrad Bächerer in den Weinhöfen ward ihnen schuld gegeben und sammt ihren Betrügereien und Ausbeutung nach kurzem Prozeß schrecklich an ihnen allen gerächt, ja bis zur Ausrottung fast aller Juden aus dem ganzen Gebiet. Die Leiche jenes Jünglings ward im hohen Chor unserer Kirche begraben. Nachher erzählte man sich allerlei Wunder, die dabei geschehen sein sollten.

Auch weiterhin hat unsere Kirche viel schreckliches erlebt, besonders große Feuersbrünste, in jedem Jahrhundert etwa zwei - ungerechnet kleinerer Brände. Im Jahre 1331, zur Zeit der Erfindung des Schießpulvers, brannte mit dem größten Teil der Stadt auch ein Teil der Kirche ab. Der sehr verarmten Stadt war es erwünscht, daß im Jahr 1337 der Johanniterritter-Orden, der den Pfaffenhof kaufte, die Erhaltung der Geistlichen, Kirchendiener und Lehrer sowie die Armenpflege im Convent und im Spital übernahm. 1354 brannte die Stadt schon wieder, also wie zum Zeichen des Herrannahens der Türken, die sich im folgenden Jahre in Europa festzusetzen anfingen. Im Jahre 1373 ward der Helbegraben fertig, den ein gewisser König anlegte, um die Stadt mit Wasser zu versorgen. Das größte Stück Arbeit daran war die Herstellung des hohens Dammes quer durch den Jordan, der damals ein Teich war.

Nun gab es fast 50 Jahre keine größere Feuersbrunst in der Nähe unserer Kirche. Aber 1420, als in Böhmen der schreckliche Hussitenkrieg losgegangen war, leuchtete auch hier wieder ein Flammenmeer um St. Peter und Paul. In demselben Jahrhundert geschah dies noch zweimal, 1457, fünf Jahre vor dem Druck der ersten deutschen Bibelübersetzung, und 1474, dem Jahre der Thronbesteigung Ferdinand und Isabella's in Spanien, in deren Diensten Columbus ausfuhr und Amerika entdeckte. Solange Luther lebte, blieb Weißensee von Großfeuer verschont. Evangelisch wurde unsere Kirche im Jahre 1539. Statt der 10 Priester, die sie vorher gehabt, bekam sie nun einen Superintendenten, einen Archidiakonus und einen Diakonus, die verpflichtet waren, die reine Lehre des Wortes Gottes zu predigen. Aber vor Feuersnot blieb sie auch nach der Reformation nicht sicher. Im Jahre 1566 verzehrten die Flammen wieder viele Häuser der Stadt. Es war dasselbe Jahr, in welchem Holland anfing, das Joch der Spanier abzuschütteln, und in Ungarn Sultan Soliman II. die Feste Szigeth gewann, in welcher Graf Zriny den Heldentod starb. Im Jahre vorher war hier in Weißensee erst 48 Jahre alt Mag. Johann Schönberger gestorben, der einige Zeit Archidiakonus und dann nur ein Jahr Superintendent gewesen war. Sein Denkmal in der Kirche rühmt ihn als einen Johannes der Stadt. Sein früher Tod bewahrte ihn vor dem Jammer der Feuersbrunst. Sein Sohn war Diakonus hier, als die nächste Heimsuchung dieser Art kam. Es geschah, nachdem die Kartoffeln nach Europa gebracht und der neue gregorianische Kalender eingeführt war. Am 26. August 1590 fing das Feuer im Burgbackhause an und fraß schnell die besten Häuser am Markt und in der Langen Straße bis an die Kirche heran. Am nächsten Tag ward der Schneider Wenighans begraben, den brennende Balken zerschlagen hatten. Auch fand zugleich das Begräbniß eines jungen Mädchens statt. Kaum kamen die Leute heim, so loderten mittags die Flammen von neuem auf und zerstörten den größten Teil der Stadt. Im Kirchenbuch ist dies genau eingetragen, auch daß am 27. drei Menschen im Rauch erstickten, die am 28. begraben wurden. Superintendent war damals Mag. Zacharias Fröschel, der 1580 die Concordienformel, das letzte lutherische Kirchenbekenntniß, unterschrieben hatte. Im Amt des regierenden Bürgermeisters folgte 1590 auf Nicolaus Kirchhoff Johann Gehra und 1592 Jakob Reinhardt als Oberbürgermeister. Sie erlangten von Churfürst Christian II. von Sachsen Steuererlaß und Geldunterstützung für die ganz verarmte Stadt, deren Ernte im Feuer mit verbrannt war. Im Kirchenbuch und auch in Wirklichkeit begann man damals das neue Jahr immer am Weihnachtstag. So brachte man gleich den rechten Trost den Nöthen entgegen. Man brauchte ihn auch später noch oft und viel.

In der Zeit des dreißigjährigen Krieges ward Weißensee furchtbar verheert. Zwei Jahre lang konnte man nicht einmal einen Superintendenten anstellen. Es gab nur etliche hundert Menschen mehr in der Stadt. Aber Großfeuer brach nicht aus. Erst 30 Jahre nach dem Friedensschluß brannte (1678) wieder ein großer Teil der Stadt ab und tat das Feuer wohl auch der Kirche St. Petri & Pauli viel Schaden. Dann hat es noch 1737 und 1797 sowie 1804 und 1805 in unserer Stadt furchtbar gebrannt - seitdem hat unsere alte Kirche solchen Jammer nicht mehr gesehen, Gottlob! Bessere Polizeiverordnung, Verbot der Strohdächer, des unvorsichtigen Umgehens mit Feuer, bessere Spritzen und dgl. sind von großem Nutzen gewesen. Gott gebe, daß die Geschichte der großen Feuersbrünste bei uns für immer zu Ende sei.

Außer den Gluten der Flammen hat 1610 Blitzschlag, 1693 ein Erdbeben dem Zahn der Zeit geholfen unsere Kirche zu zerstören. Früher war sie wohl dem Erfurter Dom im Kleinen ähnlich, mit niedrigen Türmen zu beiden Seiten des hohen Chores und einem spitzen Turm dazwischen mitten über der Kirche. So blieb es wohl auch bei den Reparaturen 1575, nach der Kirchenvisitation, und 1619, wo man wohl die Nordmauer etwas einrückte. Nach dem Brande von 1678 mußte man die Thürme abbrechen und ließ man 1690 das hohe Chor neu überwölben. Damals wurden wohl die jetzigen Emporen angebracht.

Vorher hatte man schon 1681 einen aparten Glockenstuhl aufgestellt. 1774 wurde der jetzige Glockenthurm erbaut. Einen richtigen Kirchthurm, der wie ein Finger nach oben weist, hat unsere Kirche nun nicht mehr - was jedem Christenherzen schmerzlich sein muß. Doch haben wir noch unsere alten Glocken, die zum HErrn rufen. Die kleinste soll im Jahr 1326 gegossen sein (das entspricht laut der Inschrift auf der Glocke auch der Wahrheit - Anmerkung des R.) - hat also all die großen Brände miterlebt und mit beklagt. Die größere ward 1582 gegossen, die Festglocke 1614 (sie fiel im 1. Weltkrieg der Rüstungsindustrie zum Opfer - Anmerkung des R.). Beide trösteten mit ihren gewaltigen und doch milden Stimmen die Herzen in der Noth des großen Krieges; sie alle zusammen läuteten dann 1648 mit allen anderen Glocken in Deutschland den langersehnten Frieden ein. Sie rufen noch immer, daß wir unsre Herzen dem Frieden Gottes öffnen sollen. Die Kirche ist auch noch immer eine Kirche St. Petri & Pauli. Alle, die zu ihr gehören, sollen sich von den beiden großen Aposteln zu dem hinweisen lassen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und durch den wir allein zum Vater kommen.


 

 
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