Die
Anfänge der Kirche reichen in die graue Vorzeit zurück.
Niemand weiß, wann sie gebaut ward. Sie stand schon da, als
noch alles ringsumher ganz anders als jetzt aussah. Damals war Weißensee
eine der Residenzen der Landgrafen von Thüringen, um ihrer schönen
Lage willen dazu erkoren. Mit den Thürmen des Schlosses und ihrer
vier Kirchen (St. Petri & Pauli, St. Nicolai - am alten Markt,
St. Jacob - auf der Neustadt, und St. Anna) spiegelte sie sich in
dem klaren Gewässer des Ober- und Untersees. Auf den südlich
gerichteten Abhängen am Ufer des Obersees gab es lachende Weinberge.
Hin und her auf den Hügeln und im Gefilde standen Baumgruppen
und kleine Wälder. Eine ganze Anzahl von Dörfern lag in
der Nähe der Stadt, wohl wie ein Kranz um die beiden Seen. Auf
diesen gab es zahllose Wildenten und andere Jagdbeute. Im Wasser taumelten
sich Schwärme von Fischen. Da zogen die Landgrafen fröhlich
auf die Jagd mit Falken auf der Faust, die ihnen die Beute fangen
mußten. Die Fischerei aber nährte als Gewerbe viele Einwohner
der Stadt und der Dörfer.
Die erste sichere Nachricht vom Vorhandensein der Kirche St. Petri
& Pauli findet sich im Staatsarchiv zu Sondershausen. Ein gewisser
Dietrich hatte hier im Jahr 1301 Menschenblut vergossen und sollte
dafür, außer anderer Strafe, jährlich drei Zentner
Wachs an die Kirche liefern. Mit noch unheimlicheren Dingen hängt
die zweite Erwähnung unserer Kirche zusammen. Im Jahre 1303 brach
eine grausame Verfolgung der Juden in ganz Thüringen aus. Die
Ermordung des 16jährigen Konrad Bächerer in den Weinhöfen
ward ihnen schuld gegeben und sammt ihren Betrügereien und Ausbeutung
nach kurzem Prozeß schrecklich an ihnen allen gerächt,
ja bis zur Ausrottung fast aller Juden aus dem ganzen Gebiet. Die
Leiche jenes Jünglings ward im hohen Chor unserer Kirche begraben.
Nachher erzählte man sich allerlei Wunder, die dabei geschehen
sein sollten.
Auch
weiterhin hat unsere Kirche viel schreckliches erlebt, besonders große
Feuersbrünste, in jedem Jahrhundert etwa zwei - ungerechnet kleinerer
Brände. Im Jahre 1331, zur Zeit der Erfindung des Schießpulvers,
brannte mit dem größten Teil der Stadt auch ein Teil der
Kirche ab. Der sehr verarmten Stadt war es erwünscht, daß
im Jahr 1337 der Johanniterritter-Orden, der den Pfaffenhof kaufte,
die Erhaltung der Geistlichen, Kirchendiener und Lehrer sowie die
Armenpflege im Convent und im Spital übernahm. 1354 brannte die
Stadt schon wieder, also wie zum Zeichen des Herrannahens der Türken,
die sich im folgenden Jahre in Europa festzusetzen anfingen. Im Jahre
1373 ward der Helbegraben fertig, den ein gewisser König anlegte,
um die Stadt mit Wasser zu versorgen. Das größte Stück
Arbeit daran war die Herstellung des hohens Dammes quer durch den
Jordan, der damals ein Teich war.
Nun
gab es fast 50 Jahre keine größere Feuersbrunst in der
Nähe unserer Kirche. Aber 1420, als in Böhmen der schreckliche
Hussitenkrieg losgegangen war, leuchtete auch hier wieder ein Flammenmeer
um St. Peter und Paul. In demselben Jahrhundert geschah dies noch
zweimal, 1457, fünf Jahre vor dem Druck der ersten deutschen
Bibelübersetzung, und 1474, dem Jahre der Thronbesteigung Ferdinand
und Isabella's in Spanien, in deren Diensten Columbus ausfuhr und
Amerika entdeckte. Solange Luther lebte, blieb Weißensee von
Großfeuer verschont. Evangelisch wurde unsere Kirche im Jahre
1539. Statt der 10 Priester, die sie vorher gehabt, bekam sie nun
einen Superintendenten, einen Archidiakonus und einen Diakonus, die
verpflichtet waren, die reine Lehre des Wortes Gottes zu predigen.
Aber vor Feuersnot blieb sie auch nach der Reformation nicht sicher.
Im Jahre 1566 verzehrten die Flammen wieder viele Häuser der
Stadt. Es war dasselbe Jahr, in welchem Holland anfing, das Joch der
Spanier abzuschütteln, und in Ungarn Sultan Soliman II. die Feste
Szigeth gewann, in welcher Graf Zriny den Heldentod starb. Im Jahre
vorher war hier in Weißensee erst 48 Jahre alt Mag. Johann Schönberger
gestorben, der einige Zeit Archidiakonus und dann nur ein Jahr Superintendent
gewesen war. Sein Denkmal in der Kirche rühmt ihn als einen Johannes
der Stadt. Sein früher Tod bewahrte ihn vor dem Jammer der Feuersbrunst.
Sein Sohn war Diakonus hier, als die nächste Heimsuchung dieser
Art kam. Es geschah, nachdem die Kartoffeln nach Europa gebracht und
der neue gregorianische Kalender eingeführt war. Am 26. August
1590 fing das Feuer im Burgbackhause an und fraß schnell die
besten Häuser am Markt und in der Langen Straße bis an
die Kirche heran. Am nächsten Tag ward der Schneider Wenighans
begraben, den brennende Balken zerschlagen hatten. Auch fand zugleich
das Begräbniß eines jungen Mädchens statt. Kaum kamen
die Leute heim, so loderten mittags die Flammen von neuem auf und
zerstörten den größten Teil der Stadt. Im Kirchenbuch
ist dies genau eingetragen, auch daß am 27. drei Menschen im
Rauch erstickten, die am 28. begraben wurden. Superintendent war damals
Mag. Zacharias Fröschel, der 1580 die Concordienformel, das letzte
lutherische Kirchenbekenntniß, unterschrieben hatte. Im Amt
des regierenden Bürgermeisters folgte 1590 auf Nicolaus Kirchhoff
Johann Gehra und 1592 Jakob Reinhardt als Oberbürgermeister.
Sie erlangten von Churfürst Christian II. von Sachsen Steuererlaß
und Geldunterstützung für die ganz verarmte Stadt, deren
Ernte im Feuer mit verbrannt war. Im Kirchenbuch und auch in Wirklichkeit
begann man damals das neue Jahr immer am Weihnachtstag. So brachte
man gleich den rechten Trost den Nöthen entgegen. Man brauchte
ihn auch später noch oft und viel.
In
der Zeit des dreißigjährigen Krieges ward Weißensee
furchtbar verheert. Zwei Jahre lang konnte man nicht einmal einen
Superintendenten anstellen. Es gab nur etliche hundert Menschen mehr
in der Stadt. Aber Großfeuer brach nicht aus. Erst 30 Jahre
nach dem Friedensschluß brannte (1678) wieder ein großer
Teil der Stadt ab und tat das Feuer wohl auch der Kirche St. Petri
& Pauli viel Schaden. Dann hat es noch 1737 und 1797 sowie 1804
und 1805 in unserer Stadt furchtbar gebrannt - seitdem hat unsere
alte Kirche solchen Jammer nicht mehr gesehen, Gottlob! Bessere Polizeiverordnung,
Verbot der Strohdächer, des unvorsichtigen Umgehens mit Feuer,
bessere Spritzen und dgl. sind von großem Nutzen gewesen. Gott
gebe, daß die Geschichte der großen Feuersbrünste
bei uns für immer zu Ende sei.
Außer
den Gluten der Flammen hat 1610 Blitzschlag, 1693 ein Erdbeben dem
Zahn der Zeit geholfen unsere Kirche zu zerstören. Früher
war sie wohl dem Erfurter Dom im Kleinen ähnlich, mit niedrigen
Türmen zu beiden Seiten des hohen Chores und einem spitzen Turm
dazwischen mitten über der Kirche. So blieb es wohl auch bei
den Reparaturen 1575, nach der Kirchenvisitation, und 1619, wo man
wohl die Nordmauer etwas einrückte. Nach dem Brande von 1678
mußte man die Thürme abbrechen und ließ man 1690
das hohe Chor neu überwölben. Damals wurden wohl die jetzigen
Emporen angebracht.
Vorher
hatte man schon 1681 einen aparten Glockenstuhl aufgestellt. 1774
wurde der jetzige Glockenthurm erbaut. Einen richtigen Kirchthurm,
der wie ein Finger nach oben weist, hat unsere Kirche nun nicht mehr
- was jedem Christenherzen schmerzlich sein muß. Doch haben
wir noch unsere alten Glocken, die zum HErrn rufen. Die kleinste soll
im Jahr 1326 gegossen sein (das entspricht laut der Inschrift auf
der Glocke auch der Wahrheit - Anmerkung des R.) - hat also all die
großen Brände miterlebt und mit beklagt. Die größere
ward 1582 gegossen, die Festglocke 1614 (sie fiel im 1. Weltkrieg
der Rüstungsindustrie zum Opfer - Anmerkung des R.). Beide trösteten
mit ihren gewaltigen und doch milden Stimmen die Herzen in der Noth
des großen Krieges; sie alle zusammen läuteten dann 1648
mit allen anderen Glocken in Deutschland den langersehnten Frieden
ein. Sie rufen noch immer, daß wir unsre Herzen dem Frieden
Gottes öffnen sollen. Die Kirche ist auch noch immer eine Kirche
St. Petri & Pauli. Alle, die zu ihr gehören, sollen sich
von den beiden großen Aposteln zu dem hinweisen lassen, der
der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und durch den wir allein zum
Vater kommen.