Paulus
hieß eigentlich Saulus. Er war Sohn vermögender jüdischer
Eltern aus Tarsus in Kleinasien mit römischem Bürgerrecht,
war aber in einer griechisch-bürgerlichen Umgebung aufgewachsen
und beherrschte die griechische Sprache. Saulus erlernte den Beruf seines
Vaters als Zeltteppichweber und folgte ihm auch in dessen Amt als Pharisäer,
eines jüdischen Theologen im Laienstand.
Zu
seiner weiteren theologischen Ausbildung ging er nach Jerusalem zu
dem hoch angesehenen jüdischen Lehrer Gamaliel. Saulus' Glaubenseifer
hatte zur Folge, dass er die aufkommende christliche Kirche verfolgen
musste, die er für eine jüdische Sekte hielt, die vom Gesetz
abwich und deshalb zerstört werden müsse (Galaterbrief 1,
13). Die Bibel erzählt, er habe im Jahr 35/36 beim Tod des Stephanus,
des ersten christlichen Märtyrers, der zu Tode gesteinigt wurde,
die Kleider der Steiniger bewacht.
Saulus
erhielt den Auftrag, in Damaskus weitere Christenverfolgungen zu leiten,
aber eine wunderbare Begegnung mit dem auferstandenen Jesus vor Damaskus
veränderte sein Leben von Grund auf (Apostelgeschichte 22, 5
- 16; 26, 12 - 18).
Paulus
selbst bezeichnete dieses Ereignis nicht als Bekehrung, sondern als
Offenbarung von Jesus Christus (Galaterbrief 3, 38). Von der übermächtigen
Erscheinung Christi getroffen, fiel Saulus zu Boden und wurde, erblindet,
nach Damaskus geführt. == Ananias heilte ihn und taufte ihn mit
dem Namen Paulus. Er wurde Christ, Apostel, Missionar, predigte in
der Synagoge von Damaskus und wurde verfolgt; Freunde halfen ihm,
im Jahre 38 in einem Korb über die Stadtmauer zu entfliehen (Apostelgeschichte
9, 1 - 25).
Paulus
zog sich nach Arabien zurück. Als er nach Jerusalem zurückkam,
war dort inzwischen Jakobus, der Ältere enthauptet und Petrus
aus dem Gefängnis befreit (Apostelgeschichte 12, 1 - 19). Aufenthalte
in Tarsus und Antiochien erfüllten die nächsten Jahre. Nach
einer ersten Missionsreise nach Zypern und ins südliche Kleinasien
(Apostelgeschichte 13; 14) fand in Jerusalem das Apostelkonzil statt
(Apostelgeschichte 15).
Die
kontrovers verlaufende Versammlung der konkurrierenden Parteien der
jungen Kirche wohl im Jahr 48, gewährte Paulus die Freiheit zu
Missionsreisen zu nichtjüdischen Menschen; sein Gegenspieler
war Petrus als Vertreter der Position, wonach das Christentum nicht
die jüdischen Wurzeln verleugnen dürfe, die vermittelnde
Position nahm der Leiter der Urgemeinde in Jerusalem, der Herrenbruder
Jakobus ein. Vor allem Paulus' Drängen brachte also die junge
Kirche dazu, die geistigen und räumlichen Grenzen zu sprengen
und das Wurzelland Israel, in dem die junge Kirche theologisch und
mentalitätsmäßig zuhause war, zu verlassen und die
Heidenmission voranzutreiben.
Die
zweite Missionsreise, in deren erster Phase sich Paulus von seinem
seitherigen Begleiter Barnabas trennte, führte Paulus nun nach
Galatien in Kleinasien, wohl im Jahr 50 in die Mazedonischen Städte
Philippi und Thessalonikki und durch Griechenland nach Korinth, wo
er sich etwa in den Jahren 50 bis 52 aufhielt. (Apostelgeschichte
15, 35 - 18, 22). Die zuvor auf dem Areopag in Athen vor dem Altar
des unbekannten Gottes gehaltene Predigt gehörte zu den bedeutendsten
Ereignissen auf Paulus' Missionsreisen (Apostelgeschichte 17, 22 -
31).
Die dritte Missionsreise wird in der Regel auf die Jahre 52 bis 56
datiert und führte wieder nach Kleinasien mit einem Gefängnisaufenthalt
in Ephesus, durch Mazedonien und nach Korinth (Apostelgeschichte 18,
23 - 21, 14). Wichtige Ereignisse der Missionsreisen sind teilweise
legendär: In Paphos stürzte der Zauberer Elymas blind zu
Boden. In Lystra wurden Paulus und sein Begleiter durch ihre Heilung
eines Lahmen als Erscheinung von Zeus und Hermes angesehen; man schleppte
Opfertiere herbei, um sie als Götter zu verehren. In Ikonium
hörte Thekla seine Predigt und wurde bekehrt. Eutychos, ein Knabe,
stürzte bei einer Predigt in Troas tödlich vom Fenstersims,
wurde aber wieder vom Tod auferweckt.
Paulus
schilderte die Leiden und Strapazen seiner Reisen, immer wieder war
er belastet durch Hunger, Durst, Verfolgung, Auspeitschung, Steinigung
und Gefangenschaft. Den Broterwerb besorgte er teilweise durch sein
Handwerk, in Korinth kehrte er deshalb bei einem Teppichweber ein.
Predigt und Briefwechsel mit den von ihm neu gegründeten Gemeinden
aber waren sein Hauptwerk. Die Missionsreisen führten Paulus
durch die ganze damals bekannte Welt, nach Syrien, Griechenland, Italien,
vielleicht sogar nach Spanien (Römerbrief 15, 24).
Paulus
wurde nach Aufständen einer jüdischen Gruppe wohl im Jahr
57 in Jerusalem gefangen genommen (Apostelgeschichte 21, 27 - 40).
Die Behörde von Cäsarea verfügte, bedingt durch sein
römisches Bürgerrecht, die Versendung nach Rom. Paulus erlebte
wegen eines Schiffbruchs einen Aufenthalt in Malta, wohl im Jahr 60,
und kam dann nach Rom (Apostelgeschichte 24 - 28, 16). In Rom konnte
er offenbar recht frei wirken und starb dann, wohl um das Jahr 62
und wahrscheinlich eines natürlichen Todes, - nach verbreiteten,
aber eher unwahrscheinlichen Legenden im Jahr 67 als Märtyrer
unter Kaiser Nero. Die ihm zugestandene Bewegungsfreiheit nach der
Ankunft in Rom ist mit mancherlei Legenden belegt; dargestellt wurden
Begegnung mit und Abschied von Petrus sowie ihr gemeinsames Auftreten
vor Nero mit dem Sturz des Magiers Simon.
Bei
der legendären Enthauptung des Paulus entstanden drei Quellen
aus seinem Blut; an dieser Stelle wurde später die Kirche S.
Paolo alle Tre Fontane errichtet. Plantilla, eine fromme Frau, die
Paulus ihren Schleier gegeben hatte, damit dieser sich die Augen verbinden
könne, erhielt ihn als Reliquie zurück und sah in einer
Vision Petrus und Paulus mit Siegeskronen in Rom einziehen. Ein Hirt
fand den Kopf des Paulus, der nun mit dem Leichnam feierlich vereint
wurde. Die zunächst in der Katakombe S. Sebastiano ad Catacumbas
an der Via Appia Antica bestatteten Gebeine erhielten Ende des 4.
Jahrhunderts eine Grabstätte, über der die Basilika S. Paolo
fuori le mura, St. Paul vor den Mauern, errichtet wurde.
Bedeutung:
Der Schwerpunkt der Glaubensverkündigung des Paulus ist die Gnade
Gottes, die er den Menschen erweist. Diese Gnade allein und nichts
anderes lässt den Menschen leben, macht ihn wieder heil, rettet
ihn. Auf diese Gnade hat der Mensch keinen Anspruch, er kann sie sich
nicht durch Leistung verdienen. Gott schenkt seine Gnade den Menschen
nicht aufgrund ihrer guten Taten, sondern einfach, weil er ein guter,
menschenfreundlicher Gott ist. Paulus interpretierte den Kreuzestod
Christi dahingehend, dass Gott Christus zum Sieger über die Macht
der Sünde gemacht hat. Im Gegensatz zur seinerzeit herrschenden
Vorstellung forderte er seine Zuhörer nicht auf, bestimmte Sünden
zu bereuen, sondern vielmehr dazu, Gottes Sieg über alle Sünden
durch das Kreuz Christi zu verkünden.
Das
Neue Testament enthält 13 Briefe, die Paulus als Absender nennen,
von denen aber vermutlich nur sieben von Paulus selbst stammen: der
1. Thessalonicherbrief, der Brief an die Galater, der 1. und der 2.
Brief an die Korinther, der Römerbrief, der Brief an die Philipper
und der Philemonbrief. Diese Briefe gelten neben der Apostelgeschichte
als wichigste Quellen, die Auskunft über das Leben von Paulus
geben und sind ein unverzichtbarer Schatz für das theologische
Verständnis des Neuen Testaments.
Nach
traditioneller Auffassung verblasste Paulus' Denken schon bald neben
anderen theologischen Lehren und wurde erst im 5. Jahrhundert von
Augustinus und im 16. Jahrhundert von Martin Luther wiederentdeckt.
Gedenken:
Das heutige Fest, das schon im römischen Staatskalender von 354
erwähnt ist, erinnert an die angebliche Übertragung der
Gebeine von Paulus vom Grab an der Straße nach Ostia in die
Katakombe an der Via Appia im Jahre 258, um sie vor der Konfiszierung
durch die Staatsmacht zu schützen. Dort, bei der heutigen Kirche
S. Sebastiano, bezeugen Funde aus der Frühzeit, dass man die
beiden Apostel Paulus und Petrus zusammen verehrte. Die Kirche S.
Paolo fuori le mura, St. Paul vor den Mauern, ist nach dem Petersdom
die zweitgrößte Kirche in Rom; 1823 wurde sie durch einen
Brand zerstört, aber mit denselben Ausmaßen wieder errichtet.