Die
Entstehung der paßbeherrschenden Burg und des Marktverkehrs in
Weißensee ist in erster Linie dem Weißen See zu verdanken,
der einst in zwei Becken, dem Ober- und Niedersee, die Burg und die
Stadt umgab. Es war jedoch nicht nur die günstige strategische
Lage, deren Bedeutung von den Landesherren schon sehr früh erkannt
worden war die hauptsächliche Bedeutung lag in der wirtschaftlichen
Nutzung.
Bereits 1234 verpfänden die Landgrafen den Fischfang im Obersee
an den Deutschen Orden in Griefstedt. Im gleichen Jahr gestatten Landgraf
Heinrich Raspe und sein Bruder Konrad dem Kloster Walkenried an 12 genannten
Festtagen freie Fischerei in ihren Seen. Später wurde der Fischfang
verpachtet. Die Pächter, sehr oft Amtmänner, nannten sich
auch Fischmeister oder Seevögte. Diese hatten im Seegebiet Polizeigewalt
und überwachten die Festlegungen der Fischordnung. Die Verarbeitung
wurde in Weißensee im sog. Fischhof vorgenommen. Besonders schätzte
man Karpfen, Barsch, Hecht und Aal. Hauptabnehmer für Weißenseer
Fisch scheinen die Fischhändler von Erfurt gewesen zu sein, wie
man aus einer Rechnung von 1531 erfährt.
Neben
dem Fischfang, züchtete man in den Streckteichen auch Fisch.
Genutzt wurden die Seen und die zahlreichen Teiche desweiteren zur
Gewinnung von Schilfrohr und Weiden (zur Korbmacherei). Auf den saftigen
Wiesen hütete man das Vieh. Größere Bedeutung hatten
zudem noch Entenjagd und Entenfang. Zu Beginn des 18. Jhd. wurde der
Obersee, wahrscheinlich war er zu stark verlandet, trockengelegt.
1788 folgte die Trockenlegung des Niedersees. Das gewonnene Land wurde
an Weißenseer Bauern als Acker- und Wiesenfläche verpachtet.
An den Weißen See und seine interessante Geschichte erinnert
heute noch das Stadtwappen, zwei um einen Stern gekrümmte silberne
Fische auf blauem Grund. Da über den Bau der Stadt die schriftlichen
Quellen schweigen, muß man den Stadtgrundriß zum Thema
Anlage der Stadt zu Rate ziehen. Das Gebiet am Alten Markt ist ohne
Zweifel unabhängig von der auf dem Rücken des Gipssteinberges
gelegenen Stadt mit dem Marktplatz entstanden und älter als diese
(um 1100/1150). Hier lebten vermutlich Fischer und Bauern, denen die
Kirche St. Nikolai als Gotteshaus diente.
Die Gründung der eigentlichen Stadt auf dem Gipssteinrücken
östlich von der Burg stellte eine neue Einheit her. Der Plan
der Stadt darf als schematisch und regelmäßig bezeichnet
werden und stellt in seiner Gesamtheit, unter Ausschluß der
Südwestecke, annähernd ein Rechteck dar. Aus dieser Beschaffenheit
des Weißenseer Stadtgrundrisses geht hervor, daß der Ort
planmäßig gegründet worden ist. Der Anschluß
der Stadtmauern an die Ringmauer der Burg offenbart die enge Abhängigkeit
der Stadtanlage von der Burg. Die Stadtgründer waren die Burgherren,
in diesem Fall die Landgrafen von Thüringen. Man geht sicherlich
nicht fehl, die planmäßige Gründung zeitlich um 1200
anzusetzen und einen 1198 erwähnten Marktmeister (magister fori)
als eventuellen Bauleiter anzusprechen. Befestigt war
die Stadt spätestens im Jahre 1212.
Als
Ludowinger wird jenes Herrschergeschlecht bezeichnet, das von 1130
bis 1247 als thüringische Landgrafen die Landgrafschaft Thüringen
begründeten und beherrschten.
Eine Landgrafschaft war ein Reichslehen und sollte dazu dienen, die
königliche Gewalt in einem bestimmten Gebiet zu sichern und auszubauen.
Die Landgrafen nahmen an den Reichsgeschäften Teil und waren
Reichsfürsten. Sie hatten über den Landfrieden zu wachen,
übten die hohe Gerichtsbarkeit aus und hatten eine Reihe königlicher
Rechte zu sichern und zu verwalten (Aufsicht über Zoll, Münzen,
Maße, Wildbann, Wald, Gewässer, Burgenbau etc.) Dadurch
waren die Landgrafen über alle anderen Grafen Thüringens
erhoben und standen dem Rang von Herzögen nahe.
Die
erste chronikalische Erwähnung der Burg Weißensee verdanken
wir der Landgräfin Jutta. Über die Kindheit dieser bedeutenden
Landgräfin ist nichts bekannt. Man kann vermuten, daß sie
eine feine höfische Erziehung genossen hat. Um 1150 wurde sie
mit dem Landgrafen Ludwig II. dem Eisernen verheiratet. Dadurch stieg
das Ansehen des ludowingischen Geschlechts.
Als Landgraf Ludwig, so der Reinhardsbrunner Chronist, sich auf einem
Hoftag in Regensburg 1168 mit Heinrich dem Löwen aus- söhnte,
begann die Landgräfin Jutta, die Schwester des Kaisers, am Weißen
See eine Burg zu bauen bzw. auszubauen, gleichsam einem Lustgärtlein.
Sie wollte dort eine "Herberge" zwischen den Grenzburgen
Wartburg und Neuenburg bei Freyburg gründen. Da Weißensee
sich allerdings im Macht- und Interessenbereich des Grafen Friedrich
von Beichlingen befand, beklagte sich dieser über die Bauaktivitäten
der Landgräfin beim Kaiser.
Juttas Gemahl fingierte Zorn und stritt jedwedes Wissen darüber
ab. Darauf verbot Kaiser Friedrich I. Barbarossa seiner Schwester
jegliche Bautätigkeit. Doch wahrscheinlich mit Wissen des Kaisers
sandte Ludwig ihr einen Geheimboten, mit der Nachricht im Baue fortzufahren.
Juttas Lustgärtlein sollte dreißig Jahre später zur
stärksten thüringischen Festung werden! Die energische Landgräfin
überlebte ihren Mann und ihren Sohn Ludwig und starb 1191.
Beigesetzt wurde sie im Kloster Reinhardsbrunn neben ihrem Gemahl.
Die hohe Stellung, die die Begründerin der Weißenseer Residenz
innehatte, veranlaßte ihren Sohn Hermann sich in einer Urkunde
vor all seinen anderen Titeln "Sohn der Landgräfin Jutta,
die eine Schwester des Kaisers Friedrich ist" zu nennen.
Nach
dem Tod Ludwigs des Eisernen am 14. Oktober 1172 wird dessen Sohn
Ludwig III., auch der Fromme genannt, Landgraf von Thüringen.
1174 finden wir ihn in Weißensee, wo er der Kirche in Jechaburg
Schenkungen macht. Das war der erste Regierungsakt eines Landgrafen
in Weißensee. Erstmalig im Blickfeld deutscher Geschichte erscheint
Weißensee bereits 1180. In den Auseinandersetzungen zwischen
Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Herzog Heinrich den Löwen
nahm Thüringen als Mittelland zwischen Sachsen und Bayern eine
besondere strategische Stellung ein.
Anfang Mai 1180 wandte sich Heinrich der Löwe mit seinem Heer
gegen die Besitzungen des Landgrafen, welche schonungslos verwüstet
wurden. Ludwig III. suchte den Herzog in offener Feldschlacht zu stellen.
In der Nähe Weißensees stießen die Thüringer
auf das welfische Heer. Hier kam es am 14. Mai 1180 zu einer folgenreichen
Schlacht. Ohne auf Verstärkung zu warten, griffen die Thüringer
an. Sie unterlagen allerdings schnell dem weitaus größerem
militärischen Geschick des Welfen. Obwohl sich Landgraf Ludwig
heldenhaft schlug, gerieten er und sein Bruder Hermann sowie 600 Ritter
in Gefangenschaft.
Nach
dem Tode Ludwigs III. (1190) erhielt Hermann I. die Landgrafenwürde.
Durch territoriale und finanzielle Zusagen wechselte dieser Landgraf
nicht weniger als siebenmal in zwölf Jahren die Königsparteien.
In den Jahren des staufisch-welfischen Thronstreites (1198 - 1218)
nahm Thüringen erneut eine wichtige strategische Stellung ein.
1204 belagerte König Philipp von Schwaben den Landgrafen in Weißensee,
der auf der Seite des Welfen Otto stand. Da ein sehnlichst erwartetes
böhmisches Entsatzheer ausblieb, mußte sich Hermann I.,
der nun in Isolation geraten war, unterwerfen.
Nachdem Philipp von Schwaben 1208 ermordet worden war, folgte der
Welfe Otto auf den deutschen Königsthron. Otto wurde 1209 Kaiser,
aber auch diesem Herrscher hielt Hermann I. nicht ewige Treue. Zur
Erntezeit des Jahres 1212 fiel das Heer des Kaisers, in mehrere Heeressäulen
geteilt, in Thüringen ein. Vor Weißensee sollten sich diese
Heeresmassen, es werden allein 2500 Ritter genannt, vereinigen. Erstmalig
in Deutschland führte Kaiser Otto IV. eine Steinschleuderwurfmaschine
mit sich, die man Tribock oder Blide nannte. Mit einer Blide konnte
man im Durchschnitt 400 m weit werfen, vornehmlich Steine. In einem
Brief des Kaisers spricht dieser seine Hoffnung aus, Burg und Stadt
Weißensee in Kürze einnehmen zu können und der Landgraf,
dem dann nichts mehr übrig bliebe, müsse sich mit ihm vertragen.
Dazu kam es allerdings nicht. Durch den Tod seiner Gemahlin, der Desertion
beträchtlicher Teile seines Heeres und dem Nahen des staufischen
Gegenkönigs Friedrich Roger (Friedrich II.) wurde er zum Abzug
gezwungen. Die Bedeutung dieser verlustreichen und schweren Belagerung
wird durch einen Brief von Papst Innocenz III. besonders deutlich,
worin dieser 1213 der vielen Menschen gedachte, die beim Kampf um
Weißensee ums Leben gekommen waren.
Nachdem
die Gründer der Stadt mit Heinrich Raspes Tod (1247) im Mannesstamm
aussterben, gelangen nach dem hessisch-thüringischen Erbfolgekrieg
die Wettiner, die Markgrafen von Meißen, in Thüringen an
die Macht. Weißensee huldigte schon 1248/49 Markgraf Heinrich
von Meißen. Die Stadt soll zu dieser Zeit erobert und verbrannt
worden sein. 1258 schließen die Städte Mühlhausen,
Nordhausen, Gotha, Eisenach und Weißensee einen Stadtbund. Unter
der Regierungszeit seines Sohnes, Albrecht den Entarteten, erhält
Weißensee 1265 das Stadtrecht von Eisenach und Gotha. Das Weißenseer
Stadtrecht geht zum Großteil auf das Recht des Sachsenspiegels
zurück. In der Folgezeit wird es durch die Verleihung von Privilegien
erweitert (Bierschankmonopol, Wahl von Schöffen).
1272 tritt zum ersten Mal ein Münzmeister in Weißensee
auf. Als König Adolf von Nassau verwüstend in Thüringen
einfiel, verweilte er 1296 in Weißensee. In die Regierungszeit
Albrechts des Entarteten fällt für das Jahr 1303 eine Judenverfolgung,
die auf einem Ritualmordmärchen an einem Burgmannensohn fußt.
In deren Verlauf werden alle Juden in der Stadt erschlagen. Die Regierung
Albrechts des Entarteten endete mit der Überlassung der Landgrafschaft
an seinen Sohn Friedrich den Freidigen (1308 - 1323), der Weißensee
seine Rechte bestätigte. Die drei Brüder Friedrich der Strenge,
Balthasar und Wilhelm, die nach dem Tode ihres Vaters Friedrich des
Ernsthaften (1349) gemeinschaftlich die Regierung führten, hielten
sich mehrmals in Weißensee auf. Mit Landgraf Balthasar (1381
- 1406) erlangte Thüringen wieder größere Selbständigkeit.
Bereits vor seinem Regierungsantritt hatte man in Weißensee
mit dem Bau des Helbedammes (1378) - der Wasserversorgung der Stadt
- begonnen. 1404 schenkte Landgraf Balthasar der Stadt fünf Dorfwüstungen,
die den Grundstock für den späteren Wohlstand der Stadt
legten.
Als
Sohn des Landgrafen Balthasar wurde Friedrich der Friedfertige 1385
geboren. Bereits mit sieben Jahren wurde er mit Margaretha, einer
Tochter des Landgrafen von Hessen, verlobt. Papst Bonifatius löste
die Verlobung jedoch, weil beide im dritten Grade verwandt waren.
Später vermählte er sich mit Anna von Schwarzburg. Im Jahr
1401 wurde er "ritter do selbst." Nach dem Tode Balthasars
übernahm Friedrich, 21jährig, die Herrschaft in Thüringen.
Die Beinamen waren wohl nicht schmeichelhaft gemeint, da seine Amtsführung,
anders als die damals übliche, arm an kriegerischen Unternehmungen
war. Der friedfertige Landgraf muß gegenüber fremden Einflüssen
sehr zugänglich gewesen sein. Friedrich geriet über seine
Frau unter den Einfluß seines Schwiegervaters und Schwagers.
Den Schwarzburgern gelang es zunehmend, den schwachen Landgrafen zur
Vertretung ihrer Hausinteressen zu bewegen. Seine beiden Cousins Friedrich
der Streitbare und Wilhelm II. traten dieser Gefahr entgegen. Friedrich
der Friedfertige suchte Weißensee häufig auf. 1408 bestätigt
er der Stadt alle ihre Rechte und Freiheiten. Nach einem Stadtbrand
(1423) verschreibt er den Bürgern von Weißensee wegen des
erlittenen Brandes 23 Mark löthigen Silbers von den Jahrrenten
der Städte Weimar und Buttstädt auf 9 Jahre, welche sie
zum Nutzen der Stadt verwenden sollen.
Zu
den größten Förderern der Dichtkunst des Mittelalters
zählte Landgraf Hermann I. von Thüringen (1190 - 1217).
Walther von der Vogelweide, der vor Weißensee seine berühmten
"Meißner Sprüche" dichtete, preist Hermann als
"Blume Thüringens", die sogar im Schnee leuchtete.
Durch die historisch bezeugte Anwesenheit Hermanns I. im "castrum
wiszense" werden Burg und Stadt Weißensee zum Austragungsort
mittelalterlicher Dichtung.
Walther von der Vogelweide war aber nur ein bekannter Vertreter seiner
Kunst, die hier ein und aus gingen. Auch Wolfram von Eschenbach, der
in seinem "Willehalm" einen Tribock erwähnt, oder Heinrich
von Veldeke kann man sich in Weißensee vorstellen.
Darüberhinaus hat Weißensee selbst bekannte Minnesänger
hervorgebracht. So handelt es sich bei dem "tugendhaften Schreiber",
der uns im Sängerkrieg begegnet, um einen Ministerialen namens
Heinrich von Weißensee.
Ein weiterer Sänger ist der bekannte Heinrich Hetzbold von Weißensee,
der Burgvogt auf der Runneburg war. Hetzbold ist zwischen 1306 und
1345 mehrfach urkundlich erwähnt. Sein Name - Hetzbold - der
Hetzer, der Hetzjäger steht mit der Jagd in Verbindung, wie ihn
uns die Miniatur in der Großen Heidelberger Liederhandschrift
(Codex Manesse) vor Augen führt.
Ein weiterer Weißenseer Minnesänger könnte der "Düring"
gewesen sein, der ebenfalls im Codex Manesse überliefert ist.
Viele Attribute in seiner Miniatur (Wappen, Belagerungsdarstellung)
sprechen dafür.