Ihre Geschichte liegt weitgehend im - noch- unerforschten Dunkel. Es
kann vermutet werden, daß sie um 1170 entstanden ist, im Zusammenhang
mit dem Bau der Runneburg. Möglicherweise gab es einen Vorgängerbau,
der den ersten Siedlern am Alten Markt und Nicolaiplatz - es waren Fischer
- als Gotteshaus diente.
St.
Nicolai ist eine von ehemals vier Kirchen. Es gab noch St. Jakob und
St. Anna, von denen wir, bis auf die möglichen Standorte, nichts
mehr wissen.
Schon bald (ca. 1180) entstand östlich der Runneburg die größere
Kirche St. Peter & Paul. So war es also unnötig, St. Nicolai
zu erweitern. Nur ganz wenige gotische Veränderungen wurden an
einem Fenster vorgenommen, der Dachstuhl wurde etwas erhöht um
die ganze Kirche schlanker wirken zu lassen. Zwei dieser Veränderungen
sind heute noch sichtbar: ein Pförtchen auf der Nordseite und
der Rest des Maßwerkes eines Fensters, eingebaut in die Friedhofsmauer,
dazu die entsprechende Aussparung in der Südwand.
St.
Nicolai hatte einen Turm auf der Westseite, dessen Untergeschoß
eine Vorhalle bildete. Sehr wahrscheinlich gab es darüber eine
Empore, die von ein oder zwei Säulen getragen wurde.
Im Jahre 1539 wurde in Weißensee die Reformation eingeführt.
Damit verlor St. Nicolai das Pfarrecht und stand nun endgültig
im Schatten der viel prächtigeren Stadtkirche auf dem Marktplatz.
Im Jahre 1619, als St. Peter & Paul umgebaut wurde, feierte die
Gemeinde aushilfsweise 14 Wochen lang die Gottesdienste in St. Nicolai.
Auch in den folgenden Jahrhunderten wurde die Kirche nur selten genutzt.
Allerdings wissen wir, daß in der Gottesackerkirche, wie St.
Nicolai genannt wurde, einige angesehene Bürger der Stadt begraben
sind. Derartige Bestattungen fanden nur in Kirchen statt, die auch
als Kirche genutzt wurden.
Im
Jahre 1774 war die Baufälligkeit der Kirche derartig vorangeschritten,
daß der Turm auf der Westseite abgetragen werden mußte.
Aus seinen Steinen wurde der Glockenturm von St. Peter & Paul
erbaut. Als westlicher Abschluß der Nicolaikirche entstand der
heutige Westgiebel, der 1935 geringfügig geändert wurde.
1800 begann ein trübes Kapitel in der Geschichte dieses Gotteshauses.
Es wurde als Scheune und Pferdestall genutzt. Immerhin ist St. Nicolai
dadurch ein Schicksal als "Steinbruch" erspart geblieben.
In
der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte in Deutschland eine Zeit der
Rückbesinnung auf vergangene Jahrhunderte ein. Man begann intensiv
die Geschichte und ihre Bauwerke zu erforschen. (Erst jetzt wurde
der Begriff "Romanik" geprägt!) Überall im Land
wurden die steinernen Zeugen des 11./12. Jhdt. repariert und renoviert
und mehr oder weniger originalgetreu wiederhergestellt.
Im
Jahre 1931 erreichte das Interesse am Alten auch Weißensee.
Professor Adolf Zeller aus Breslau wurde auf die Nicolaikirche aufmerksam.
Nach längeren Verhandlungen mit dem Gemeindekirchenrat begann
1934 die umfassende Instandsetzung der Kirche.
Das erhöhte Dach wurde auf die ursprüngliche Höhe zurückgenommen,
der vermauerte Westgiebel wieder geöffnet und mit einem Glastor
versehen, das einzige gotische Fenster entfernt. Im Inneren wurde
ein Ziegelplattenbelag über den alten Steinfußboden gelegt
und an der Westseite der Kirche erfolgte der Einbau von vier Leichenkammern
zur Aufbewahrung der Särge hinter einer neu errichteten Fachwerkwand.
Die Kirche sollte künftig auch als Friedhofskapelle dienen, da
Weißensee keinen entsprechenden Raum besaß.
Im Zuge der Wiederherstellung der Kirche wurde leider auch der teilweise
noch vorhandene dünne Putz von den Wänden geschlagen. Winzige
Reste deuten darauf hin, daß St. Nicolai einst farbig ausgemalt
war. Zu Beginn dieses Jahrhunderts glaubte man, daß der Kalkstein
richtig zur Geltung kommen muß. Erst heute wissen wir, daß
der Anblick nackten Mauerwerkes für die Menschen des 11./12.
Jhdt. eine Würdelosigkeit darstellte.
Zur
Ausstattung der Kirche gehört ein frühgotischer Taufstein,
dessen Oberteil als Futtertrog gedient haben soll. Der Fuß könnte
ein umgedrehtes Würfelkapitell sein. Möglicherweise stammt
es von einer der Säulen aus dem Turm. Ein freistehendes Sakramentshäuschen
aus dem 15. Jhdt. ziert ebenfalls die Kirche. Es trägt die Gestalten
des Hl. Nikolaus und eines Engels, ist aber leider stark beschädigt.
In einer Ecke der Kirche steht die angebliche Nachbildung des Taufsteines
aus einer römischen Kirche.
Am
12. Juli 1936 wurde St. Nicolai wieder als Kirche geweiht! Fortan
wurde sie fast ausschließlich als Friedhofskapelle genutzt.
Nach dem Krieg feierte die stark angewachsene katholische Gemeinde
ihre Gottesdienste übergangsweise hier.
Bis
in die achtziger Jahre hinein versuchten die evangelischen Pfarrer
immer wieder einzelne Gottesdienste oder Kirchenmusiken in der Nicolaikirche
anzubieten. Das stieß in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe,
denn im Volksmund war (ist!) nur von Leichenhalle die Rede. Allen
Widrigkeiten zum Trotz und auf Anregung von Pfarrer Kruppke, feierte
die Junge Gemeinde Andachten und Gottesdienste in der Kirche.
Die
erste Christvesper wurde 1985 gefeiert. Anläßlich einer
Pfingstfreizeit, gründete sich 1986 der Arbeitskreis St.Nicolai.
Ihm gehören junge Christen an, die sich verstärkt um eine
würdige Nutzung der Kirche bemühen. Sie erreichten es, daß
die Ev. Kirchengemeinde seit 1989 regelmäßig im Sommerhalbjahr
ihre Gottesdienste in dieser Kirche feiert.
Kurz
vor Weihnachten 1988 erhielt die Kirche elektrischen Strom und im
Jahre 1993 einen Gasanschluß, mit dem Ziel, sie für eine
ganzjährige Nutzung beheizbar zu machen.
Das wachsende Interesse an der Stadt Weißensee und ihren Sehenswürdigkeiten,
führte dazu, daß St. Nicolai zu besonderen Anlässen
außerhalb der Gottesdienstzeiten für Besucherinnen und
Besucher geöffnet wurde. 1995 beantragte der Arbeitskreis St.
Nicolai die Eintragung als Förderverein ins Vereinsregister.
Seit Januar 1996 ist der Förderverein offen für alle, denen
die Erhaltung denkmalgeschützter Gebäude am Herzen liegt
und in der Lage, sich intensiv um die Kirche zu kümmern.